Citella (1992)

Citroën Citela Schubkarre mit 27 PS

Die Autogeschichte ist voll von irren Studien, die erst begeisterten und dann verschwanden. SPIEGEL ONLINE zeigt die gewagtesten Visionen. Diesmal: der Citroën Citela - ein elektrischer Verwandlungskünstler.

Es ist ein Rätsel in der Autowelt: Manche Neuerungen müssen mehrmals vorgestellt werden, ehe sie sich durchsetzen. Ein Beispiel dafür ist der Elektrokleinwagen. Anfang der Siebzigerjahre gab es eine kleine Welle solcher E-Knirpse für den Stadtverkehr (etwa Witkar in Holland, Enfield 8000 in England), die rasch wieder verebbte; Anfang der Neunzigerjahre dann wieder. Damals stellte BMW den Elektro-Prototypen E1 vor (1991), ein Jahr später Renault das Modell Zoom - und Citroën sorgte im französischen Pavillon bei der Weltausstellung 1992 im spanischen Sevilla mit der Studie Citela für Aufsehen.

Zu jener Zeit litten Menschen in vielen Metropolen zunehmend unter Autoverkehr und Abgasen, in Kalifornien traten ab 1990 strenge Abgasvorschriften in Kraft. Autohersteller mussten reagieren - sie starteten eine Elektro-Offensive, zu der auch Fahrzeuge wie der Fiat Panda Elettra, Opel Astra Impuls 3, VW Golf City-Stromer sowie der EV1 von General Motors gehörten.

Citroëns Citela war allerdings sehr viel komplexer und origineller als es das schlichte Akronym für "Citroën Electrique Automobile" nahelegt. "Es ist das wandelbarste Auto der Welt", tönte der Hersteller. Ob dieser Superlativ damals zutraf, lässt sich nicht mehr klären, jedenfalls hatten die Citroën-Entwickler eine geniale Idee: Sie packten E-Maschine, Akkus und Getriebe in einen von schwarzem Kunststoff ummantelten Unterbau, über den sich diverse Aufbauten stülpen ließen.

Vorgestellt wurde der Prototyp als viersitziger Kleinwagen mit Platz für drei Erwachsene und ein Kind; es gab aber auch Überbauvarianten als Coupé, Cabrio und Pick-up. "In weniger als fünf Minuten" lasse sich die Karosserie wechseln, verlautbarte Citroën. Vom Prinzip her war das Auto einer Schubkarre ähnlich - die je nach Bedarf bestückt werden konnte. Und die Antriebsplattform sah, vor allem wegen der eng platzierten und von der Seite kaum sichtbaren Hinterräder, auch ein bisschen nach Schubkarre aus.

Leicht, günstig in der Herstellung und zu großen Teilen recyclefähig war das Auto überdies. Die Karosserie bestand aus sortenreinen Kunststoffteilen, und das Fahrzeug wog lediglich 790 Kilogramm - inklusive Nickel-Cadmium-Akkus mit einer Speicherkapazität von 14 kWh. Die Ladebuchsen befanden sich unter dem hinteren Nummernschild, das sich hochklappen ließ. Wahlweise konnte dann an einer Haushaltssteckdose (in acht Stunden) oder an einer Schnellladesäule elektrische Energie gezapft werden.

Die Reichweite lag bei 210 Kilometer

Nach Angaben von Citroën kam der Citela mit vollgeladenen Akkus etwa 210 Kilometer weit, wobei die Elektromaschine mit einer Spannung von 72 Volt arbeitete, eine Leistung von 20 kW (27 PS) entwickelte und das Auto auf bis zu 110 km/h beschleunigen konnte.

Den Prototyp mit den praktischen Schiebetüren hatte die französische Karosseriefirma Heuliez gebaut. Er verfügte über spezielle, 14 Zoll große Leichtlaufreifen von Michelin und bot eine elektrische Heizung, mit der sich der Innenraum schon vor der Fahrt temperieren ließ.

Bei der Präsentation auf der Weltausstellung hieß es, der Citela sei bereit für die Massenproduktion. Zu der jedoch kam es nie. Lag es an mangelnder Nachfrage? Am Unwillen der Industrie, eine neue Antriebstechnik zu etablieren? Vermutlich gab es mehrere Gründe. Und vielleicht lag es auch wenig am seltsamen Design des Citela

An der visionären Technik konnte sich zuletzt ein unbekannter Bieter erfreuen, der den Citela Ende 2017 für 14.560 Euro erstand. Damals ließ das Citroën Conservatoire, das automobile Archiv des französischen Herstellers, insgesamt 65 Fahrzeuge aus seinem Bestand vom Auktionshaus Leclere versteigern.